The Vagabønds im Meisenfrei

Nur aus Lust und Laune schreib ich mal wieder was: gestern abend war ich bei der Thin Lizzy-Coverband „The Vagabønds“ im Meisenfrei – ziemlich schneller Wiederbesuch, nachdem ich schon zur Silvesterparty dagewesen war. Eintritt war frei; und im Lauf des Abends wurde offensichtlich, warum.

Wie man weiß, sind zwei bekannte Musiker von Thin Lizzy inzwischen tot (Phil Lynott, gestern war’s 26 Jahre her, Gary Moore, noch nicht mal ein Jahr), doch die Musik lebt weiter – und zwar von den Gitarren, die einen immer mindestens zu zweit mit Melodie überspülen, und von Soli, die damals, noch im Analogzeitalter, fast schon verdächtig perfekt klangen. Diese hohe Kunst beherrschten die Gitarristen gestern nur begrenzt; ein Stammgitarrist fehlte und wurde abwechselnd ersetzt, von einem Metal-Amateur und einem Jazz-Profi. Der Metal-Mann war anfangs zu laut und zu unkonzentriert – das wurde später besser, doch dafür hatte er in der Pause ein Bier zuviel getrunken und fiel dann dem Sänger ständig ins Wort, und das geht ja gar nicht. Der Profi war natürlich weitaus besser und machte auch richtig Musik (und da konnte man dann endlich hören, dass der Stammgitarrist auch ziemlich gut war); doch angeblich hatte er sich überreden lassen, für lau mitzuspielen, und nachher ging doch noch der Hut rum. Ich gab zwar auch ein bisschen was, fand das alles  aber sogar für eine Amateurband ein bisschen tapsig. Als dann für des Profis neugeborenes Kind noch „Sarah“ zum besten gegeben wurde, war die Zeit gekommen, die fröhliche Familienfeier zu verlassen. Wie gesagt, es kostete keinen Eintritt, deswegen will ich überhaupt nicht meckern, und ich respektiere die harte Arbeit, die aus lauter Spaß neben dem Alltag in die Musik gegangen ist; aber dass ausgerechnet bei „Emerald“ die Übergänge so schlecht klappten, das saß mir schon ein bisschen quer – das können ja sogar Mastodon besser.

Trotzdem will ich hier mal eine Lanze brechen für alternde Rockbands, die immer noch spielen und touren, und auch Coverbands, die Stücke spielen, welche man nie wieder von der Originalbesetzung zu hören bekommen wird. Das ist nämlich so: Musik ist Emotion, der Mensch verbindet was damit, und uns alte Knacker versetzt solche Musik zurück in eine Zeit, als das meiste im Leben noch neu und aufregend war. Anders als die Gerüche der Kindheit (die so selten sind, dass man sie irgendwann vergisst) und die Bilder (die von der täglichen Sturmflut neuer Bilder einfach weggefegt werden – nach ein paar Jahren fallen manchmal sogar Gesichter einem nicht mehr ein – daher ist Photographieren wirklich nützlich), können wir uns Musik nämlich sehr gut merken, und das hat was Tröstliches. Das fiel mir in der Pause nach und nach ein, als ich in Wind und Regen draußen stand und rauchte. Eigentlich ganz schön, auch mal allein wo hinzugehen und sich in Ruhe was zu überlegen.

Das „Black Rose“-Album (das ich immer noch mit am besten finde) hatte ich mir mit 13 oder 14 von einem Mitschüler ausgeliehen, schleppte es stolz nach Hause – und saß dann mit langem Gesicht vor der Musiktruhe, denn ich verstand, das war richtig gute Musik, aber ich war dafür leider noch zu klein. Inzwischen aber verstehe ich; auch dank dieser Platte hat Irland mich nicht sehr überrascht, als ich dann im Juni erstmals zu Besuch war; und „Do anything you want to“ hat einen Ehrenplatz auf meiner „zweiten 1. Cassette“ bekommen, die ich mir vor ein paar Jahren mit der Musik von damals, aber erheblich besserem Gerät, zusammenstellte.

In diesem Sinne, R.I.P. Phil & Gary – thank you for the music.

Hurra, wir dürfen zahlen!

Es ist schon wieder ein paar Monate her, dass ich „Hurra, wir dürfen zahlen – Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ von Ulrike Herrmann gelesen habe. Darauf aufmerksam geworden bin ich über den Spiegel, der im April einen Gastkommentar veröffentlicht hatte – und beim Lesen desselben klappten mir schon die Zehnägel hoch – das ist doch viel zu links für den Spiegel! Normalerweise werden solche Autoren dann vom Spiegel zu ihren Büchern befragt, mit Fangfragen eingedeckt und nach Möglichkeit lächerlich gemacht – denn der Spiegel ist ja schon lange kein linkes Blatt mehr. Haben wir überhaupt noch irgendwas im Lande, was wirklich links ist? Die SPD jedenfalls ist es nicht, die Grünen nur noch in vereinzelten Idealisten, und bei der „Linken“ wird mir vom Populismus schon schlecht, noch bevor ich dazu komme, mich mit irgendwelchen Inhalten auseinanderzusetzen (deren Existenz ich trotzdem erstmal annehme).

Doch voran, zum Buch. In 20 knappen und knackigen Kapiteln, die dazu noch in sehr lesbarem, schnörkellosem Deutsch mit kaum Druckfehlern geschrieben sind, wird gezeigt, wie die Mitte sich vor den Karren der Oberschicht spannen lässt, fast durchgehend gegen ihre eigenen Interessen wählt, sich selbst immer mehr aufbürdet und die Reichen reicher macht, und alles nur, um sich von den Armen abzugrenzen. Nach der Einleitung ist das Buch gegliedert in die Teile „Die Macht der Eliten“ (Lesetip: wie der Adel es anstellt, nach wie vor unter sich und an der Macht zu bleiben), „Die Irrtümer der Mittelschicht“ (besonders lesenswert das Kapitel über Vornamen und private Schulen: wie die Mittelschicht sich abstrampelt und doch außen vor bleibt), „Die Verachtung für die Unterschicht“ (über Vorurteile gegen angeblich sozialbetrügende Arbeitslose), „Die Kosten des Selbstbetrugs“ (wie Regierung auf Regierung den Reichen fette Geschenke macht und der Wähler sich nicht wehrt, weil er sich selbst auch fast schon reich wähnt).

Dazu gibt es eine immerhin fast 40 Seiten lange Liste von Fußnoten und Kommentaren, wo reichlich Belege zu finden sind für Dinge, die wir eigentlich schon immer geahnt haben: der soziale Aufstieg ist schwierig und selten; der Abstand zwischen arm und reich vergrößert sich weiter, auch wenn die meisten Superreichen sehr unauffällig bleiben; den Industriebossen (Arbeitgebern) lassen wir vieles durchgehen, was Politiker sich nie erlauben könnten; aufstrebende Eltern versuchen ihre Kleinen inzwischen derart früh zu Universalgenies heranzuzüchten, dass von der Kindheit nicht mehr viel übrig bleibt; die Reallöhne sind in den letzten zehn Jahren gefallen, während die Profite sich prächtig entwickelt haben; die Mittelschicht ist gegen die Erhöhung des Hartz-IV-Satzes, weil die Arbeitsscheuen/-losen sich davon ja doch nur ein schönes Leben machen; die Fahndung nach Schwarzarbeit kostet viel mehr Geld als die Schwarzarbeit selbst; die Kosten der Finanzkrise trägt die Mittelschicht, während die Besitzenden (im übrigen auch die Verursacher der Krise) nicht nur gerettet worden sind, sondern jetzt sogar an den Folgen verdienen – und so weiter. Und ironischerweise sind die meisten dieser Entwicklungen von den sogenannten Sozialdemokraten angeschoben worden.

Also, wenn man sich dagegen den oberflächlichen, merkantilistischen Sermon des Herrn Steingart anguckt, packt einen nicht der Zorn, sondern eher die Begeisterung über das hier besprochene Buch, das ganz von der anderen Seite kommt und mit klarem Denken die Dinge auf den Punkt bringt – da weiß man hinterher, was man gelesen hat, und freut sich, dass die Geldwechsler endlich mal wieder die Peitsche bekommen haben.

Mir ist bei dieser Lektüre klar geworden, was mich im Augenblick stört an der Welt (denn nicht nur die deutsche Gesellschaft ist in dieser Hinsicht verblendet): alle reden immer nur von der Wirtschaft – aber die hat der Mensch geschaffen, damit es ihm besser gehe. Doch irgendwie hat das einstige Helferlein sich inzwischen zum geifernden Monster entwickelt, für dessen weiteres Wachstum wir außerdem alles tun würden. Das stellt inzwischen niemand mehr in Frage, und das ist falsch. Das Leben muss mehr zu bieten haben als Produktivitätssteigerungen und Sonderangebote am verkaufsoffenen Sonntag. Wir brauchen wieder eine streitbare (und politisch gebildete!) linke Perspektive. Und wenn die Oberschicht so weitermacht, ist das auch nur noch eine Frage der Zeit – auch wenn dank Funk, Fernsehen und Weltnetz die Gedankenkontrolle derzeit besser funktioniert als je zuvor und Zeitungen und Radiosender mit der Wiedergabe illusionsbrechenden Materials äußerst wählerisch sind.

Also, wenn ihr mal wieder irgendwo so was lest wie „arm ist reich, reich ist arm“, dann fragt euch mal, ob das soviel bedeutet wie „schwarz ist weiß“ oder „Krieg ist Frieden“ – nämlich freche Propaganda, von der kein Wort wahr ist – dann fragt euch: wem nützt sowas – und dann fragt euch: warum steht sowas in der Zeitung oder in bekannten Wochenblättern, wer steckt dahinter? Auch und gerade in einer Mediendemokratie ist eigenes Denken und ggf. Nachforschen durch nichts zu ersetzen.

Weltkrieg um Wohlstand

Vor etwa einem Jahr bekam ich von meinen Eltern das Buch „Weltkrieg um Wohlstand“ geschickt, welches ich mir bei Spiegel Online bestellt hatte; es hatte schon in Deutschland eine Weile rumgelegen, und lag dann bei mir nochmal etwa ein Dreivierteljahr. Meistens lese ich in der Bahn, aber meine Lektüre, die in der Ortliebtasche reist, sieht danach immer etwas mitgenommen aus, und das wollte ich einem hübsch aufgemachten Piper-Buch eigentlich ersparen. Aber es ergab sich eben so, dass ich gerade nichts anderes für die Bahn zu lesen hatte, und so fing ich denn doch an – und das Buch hat die Strapazen eigentlich ganz gut überstanden.

Ich hatte schon „Deutschland: Abstieg eines Superstars“ vom selben Autor gelesen, und wollte jetzt das Neueste (wenn auch schon wieder nicht mehr ganz frisch) zum Wettlauf der alten und neuen Industriemächte erfahren – ich hatte während der Lektüre schon mal ein bisschen nach Rezensionen rumgeguckt, aber mich dann (auch weil viele Urteile ziemlich negativ ausfielen) entschlossen, mir erstmal meine eigene Meinung zu bilden.

Inzwischen habe ich das Buch schon seit ein paar Wochen ausgelesen und wollte doch noch eben meinen Senf dazugeben: man kann den Wert des Buches so sehen wie die FAZ (ich weise schon mal darauf hin, dass Gabor Steingart hauptsächlich für den Spiegel schreibt, und ich werde anlässlich dieses Buches über den Spiegel mehr zu sagen haben als über Herrn Steingart, der sich selbst zur Versicherung seiner Wichtigkeit ohnehin genug ist), die SZ (Original-Artikel nur noch als gebührenpflichtiges Dossier erhältlich), oder auch die ZEIT. So weit die Fachleute, denen die Vereinfachung oftmals zu weit geht, auch wenn sie einigen Beobachtungen zustimmen. Dann kommt man vom Perlentaucher zur linken Presse, wo etwas mehr Ärger zu beobachten ist: in der FR, und natürlich auch in der taz – wo aber die Kritik am neoliberalen Weltbild und der ungehemmten Globalisierung selbstverständlich gern gesehen wird.

Nun bin ich in allen diesen Dingen natürlich nicht genügend bewandert (und lese auch deshalb ab und zu mal ein Buch); insbesondere ist die gesamte Sekundärliteratur mir fremd, auf welche in „Weltkrieg um Wohlstand“ dankenswerterweise nicht als Fußnoten überall hingewiesen wird, sondern welche sich in einem immerhin zehnseitigen Literaturverzeichnis am Ende des Buches befindet. Das fand ich ziemlich gelungen. Und mir aus all diesen Quellen eine Übersicht zusammenzuschreiben und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen, dafür habe ich Herrn Steingart ja auch bezahlt.

Worin ich aber bewandert bin, das ist die deutsche Sprache, und worüber ich mich beim Lesen dieses Buches am meisten geärgert habe, ist der nachlässige Umgang mit derselben. Denn ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass, wer nicht sorgfältig formuliert, auch nicht sorgfältig denkt. (Man nehme zum Einstieg das Wort „sorgfältig“ und lasse es sich bitte langsam im Sprachzentrum zergehen.)

Auf den Seiten 256-257 kommt beispielsweise das folgende Sündenregister zusammen:

„Der Prolet von einst besaß vieles, was die Armen von heute nicht mehr haben“, heißt es da – wer „Prolet“ schreibt, wenn er „Proletarier“ meint, verrät uns damit schon allerlei über sich selbst.

Weiter: „Sie[…] kriechen immer tiefer in ihre Wohnsilos hinein, wohin ihnen dutzende von Soziologen gefolgt sind“ – letzteres ist gut so, und es heißt „Dutzende“, auch wenn es tatsächlich wohl eher Hunderte (und nicht hunderte) sind.

Dann kommt ein mit „und“ beginnender Nebensatz, der durch ein Komma abgesetzt gehört, den ich aber wegen seiner Länge und damit aus Faulheit nicht aufschreibe.

Auf Seite 257 kommt der Klopfer: „Der neue Arme ist kein Widergänger des alten.“ Widergänger? Oder am Ende Wiedersacher? Ist das denn niemandem beim Korrekturlesen aufgefallen, dass es „Wiedergänger“ heisst? Werde ich beim Piper-Verlag gebraucht? Oder ist sowas inzwischen nicht mehr wichtig?

Im selben Absatz: „[es scheint], als habe das neuzeitliche Mitglied der Unterschicht sich selbst abgeschrieben.“ Da würde man es doch begrüßen, wenn der Autor sich um eine fachgerechte Verwendung des Konjunktivs bemühen wollte. Mit anderen Worten: „hätte“ heißt das hier.

Nicht falsch, aber auch nicht schön: „Das Auftauchen der neuen Unterschicht fällt nicht zufällig mit dem Abschied der Industriearbeitsplätze zusammen.“ Wäre nur noch etwas Mühe in die Druckversion des Manuskripts gegangen, wäre diese Stilblüte nicht übersehen worden.

Zum Schluss der Doppelseite: „Die Zerfallsprozesse im Innern der Gesellschaft bedrohen den Westen heute stärker als der internationale Terrorismus, auch wenn die Politiker sich auf die Bekämpfung von Letzterem konzentrieren.“ – warum darf es hier nicht „des letzteren“ heißen? Die Formulierung erkennt doch jeder wieder, die muss man doch nicht ohne Not zu vereinfachen suchen! Zumal, wie wir just erfahren haben, der Proletarier von heute ja ohnehin nicht mehr liest.

Dann werden auf Seite 292 drei Begriffspaare zur Diskussion versprochen; zwei davon werden noch auf Seite 292 geliefert, das dritte weder bis zum Ende des Abschnitts auf Seite 293, noch bis zum Ende des gesamten Buches. Da sei dem Leser die Frage erlaubt: ja will der mich verarschen? Werde ich hier nicht ernstgenommen, hat der Prof die Stunde nicht vorbereitet und verliert sich in Gefasel? Das fand ich ein starkes Stück, und es stört auch beim Lesen, weil man natürlich immer Ausschau hält nach der versprochenen Ordnung und Struktur. Aber zu der Zeit hat man ja schon fast 300 Seiten gelesen, seufzt kurz und denkt sich, das wird Herr Steingart wohl übersehen haben, und gesagt hat’s ihm auch keiner. Dann war’s wohl nicht so wichtig.

Im ganzen fand ich das Buch gar nicht mal so übel – insbesondere bei Umweltschutz und Kinder- und Sklavenarbeit stimme ich Herrn Steingart zu: natürlich können wir nicht dem freien Handel das Wort reden und dann einfach so Schutzzölle erheben, um unsere Arbeitsplätze zu schützen – aber die EU ist intern sehr pingelig bei Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsstandards, und es ist überhaupt nicht einzusehen, warum das nur für die EU gelten sollte, aber nicht für Importe. Asien ist nicht nur fleißig, strebsam, sparsam und patriotisch, sondern es werden auch die natürliche Umwelt und die menschliche Arbeitskraft zum Teil auf das Brutalste ausgebeutet. Wer solcherart hergestellte Waren ins Land lässt, bestätigt die Ausbeutung als überlegene Form des Wirtschaftens und trägt zum Verfall der Errungenschaften des Westens bei. Wir können inzwischen blei- und cadmiumfreie Elektronikteile kaufen, auch aus Asien – vielleicht ist garantiert kinderarbeitsfreies Kinderspielzeug auch machbar? Wenn es in chinesischen Fabriken nicht mehr reihenweise Unfälle und Selbstmorde gibt und die Städte so sauber sind, dass man das Fenster seiner Wohnung im 20. Stock vom Boden aus sehen kann, und das alles immer noch billiger geht als in Europa – dann hat Asien zwar gewonnen, aber Europa auch.

Das ist mir zu diesem Buch eingefallen. Weiterhin noch einen schönen Gruß an Wolf Schneider, den ernstzunehmen Herrn Steingart gut täte. Und eigentlich wollte ich noch ein paar Zeilen zum Spiegel schreiben, der sich vom zeitweise sehr unbequemen Regierungsaufsichtsorgan leider zum Sprachrohr des Einheitsdenkens degradiert hat, und in Gesprächen oft sowas von billige rhetorische Fragen stellt, die im Grunde nur mit Vorurteilen die Systemkritiker diffamieren sollen – aber dafür fehlt mir jetzt die Zeit, und ich bin ja schon froh, wenn ich ab und zu mal was lesen darf, wo mir nicht von Anfang bis Ende das Selberdenken abgenommen werden soll. Auch sowas findet man ja noch im Spiegel ab und zu. Ich lese aber aus Notwendigkeit meist nur Spiegel Online, und weil das Publikum (ja, auch ich) sich nun mal hartnäckig weigert, für Qualitäts-Journalismus zu bezahlen, kriegt es eben auch keinen. Manchmal denke ich, gar keiner statt Billig-Journalismus wäre dann sogar besser.

Hast du schon einen Nabendynamo?

Vor über zwei Jahren fragte mich mein ehemaliger Mitbewohner Ehlert (moin Ehlert!): „hast du schon einen Nabendynamo?“. Darauf wollte ich nun endlich mal eine Antwort geben.

Inzwischen hat der Bereich Fahrradbeleuchtung eine wahre Revolution durchgemacht, auch in meinem Fuhrpark, und ich sag also einfach mal: was heißt hier einen Nabendynamo!

197_9718mNummer 1: Für den alten Laguna-Trecker, Februar 2006 197_9723mFertig für die Radtour nach Wollongong mit Christine
119_scan25mNummer 2: Tourenrad, März 2006 (der 400er-Fuji-Film muss mit falschen Chemikalien entwickelt worden sein: 119_scan29mdie Farben von Bild zu Bild stimmen nicht überein – aber das Rad macht Spaß zu fahren, und darauf kommt’s ja an)
IMG_2918mNummer 3: für Christines neues Rad, Dezember 2008 IMG_2920mes war so schönes Wetter, da hab ich das wieder auf der Terrasse gemacht
IMG_4386mNummer 4: der Designer-Dynamo (eigentlich für 20-Zoll-Räder, aber mit fahrtwindgekühlter LED und im Rennradtempo gibt das auch so genug Licht) IMG_4656mUnd so sieht das aus, wenn alles fertig ist (naja, fertig – über die Cyos , die ich inzwischen habe, schreib ich dann ein andermal)

Das erfüllt einen schon mit Befriedigung und etwas Stolz…

IMG_4641m

Na Ehlert, wie findste das? Ich glaube, wir stimmen überein, dass es inzwischen aber auch gar keine Entschuldigung mehr gibt, mit funzeligem Licht oder komplett ohne Licht rumzufahren. Die Probleme mit dem durchrutschendem Rädchen bei Schnee und Eis sind dunkle Vergangenheit, ebenso das elende Extra-Strampeln gegen den schlechten (pardon: beschissenen) Wirkungsgrad, das eigentlich nur den Fahrer ins Schwitzen und Fluchen brachte und den Dynamo etwas erwärmte, aber kaum Licht ergab. Und weil ein Nabendynamo immer mitläuft (aber dabei fast keine Leistung aufnimmt, denn das Polrucken bremst ja nur, wenn das aufgebaute elektrische Feld verbraten und nicht gespeichert wird), kann man die Lichtanlage auf Sensorautomatik schalten und braucht sich dann überhaupt nicht mehr ums Licht zu kümmern.

Christine und ich wollen ihrem Bruder, der jetzt auch wieder Rad fährt, auch mal einen Nabendynamo beschaffen – er meint zwar, Dynamo-Licht ist doof, viel zu anstrengend – doch obwohl er Ingenieur ist und ich nur Physiker, weiß ich es in diesem Falle besser. Bei sowas ist er natürlich genau so rechthaberisch wie ich auch – doch in dem Fall wird er wohl etwas bescheidene Pastete (humble pie) zu sich nehmen müssen, wenn er den Dynamo erstmal hat. Doch danach kann er sich auf jeder Fahrt über zuverlässiges, helles Licht und eine Meisterleistung der Ingenieurskunst freuen. Ich hab schon Leute mit Nabendynamo gesehen, die fahren tagsüber mit Licht rum, weil sie vergessen haben auszuschalten – so leicht läuft das, das merkt man gar nicht.

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Ein Tag mit Mike Oldfield

Heute morgen hab ich von der Post das Buch „Changeling“ abgeholt – die Autobiographie von Mike Oldfield (muß ich irgendwem erklären, wer das ist?). Gab’s auch hier zu kaufen, aber für 40$ – und das geb ich für ein Paperback echt nicht so gerne aus, also hab ich’s für £4 bei eBay England gekauft (paßt ja auch irgendwie). Mir hatte seinerzeit der gute Detlev B. (der dann ja später auch Musiker geworden ist), die erste Oldfield-Scheibe (natürlich Tubular Bells) geliehen, die länger war als 45 Minuten und die ich deshalb sogleich auf einer 120er-Cassette aufnahm – und sowas hatte ich zu der Zeit (wie so vieles andere) noch nie gehört.

Nun mußte ich vorhin aber erstmal den Abwasch machen, denn unser Geschirrspüler ist schon seit Monaten mausetot, und hab mir zu der Gelegenheit mal „Tubular Bells“ wieder angehört.

Und was soll ich euch sagen: mein Musikverständnis hat sich in den dazwischenliegenden 25 Jahren doch erheblich verbessert, ohne daß ich (außer regelmäßig Musik hören) viel getan hätte! Mir wurden Zusammenhänge teilweise zum ersten Mal bewußt, und zum ersten Mal fiel mir auch auf, wie unschuldig und anrührend manche Passagen sind, und daß der Komponist uns vermutlich tatsächlich etwas sagen wollte. Doch wenn Meister Oldfield in seinem Buch dann schreibt

Der Meister

I was too confused at that time to know whether I had any special talent for music, but I did know that I understood music like other people didn’t.  I felt it and saw it very deeply, with crystal clarity.  When I listened to a piece of classical music I could see all its components, its parts and how they fitted together. […] Music to me was something different, a vast kaleidoscope of magic and wonder.  To this day my mind boggles at how superficially some people listen to music.

– dann kann ich nur sagen: das soll wohl auch so sein, Herr Berufsmusiker. Ein bißchen mehr als der Durchschnittsmensch sollte jedeR von seinem/ihrem Beruf verstehen. Aber inzwischen höre immerhin auch ich, daß der Meister sich viel Mühe gegeben hat, gute Musik zu machen und sie auch gut aufzunehmen (sogar quadrophonisch, womit die analoge Technik auch an ihre Grenzen kam) – und, viel schöner noch, wie sehr er Musik liebt. Dieses Gefühl – also daß die, wo da Musik machen, mit dem Herzen und viel Liebe dabei sind – hab ich so richtig zum ersten Mal beim Hören von Epica bekommen,

oder hier mit weniger zum Gucken, aber mehr zum Hören, zwar nicht quadrophonisch, aber immerhin in Stereo.

Witzigerweise kommt bei Oldfields sogenanntem „Caveman Song“ ja auch schon das Gegrunze vor, welches dann später bei Epica und anderen mittel- und nordeuropäischen Musikgruppen so in Mode kam. Und bei all dem mußte ich natürlich auch wieder an meines Vaters Worte denken, der vor etwa 25 Jahren sagte, also Mike Oldfield paßt doch viel besser zu dir als Heavy Metal. Aber inzwischen denke ich, zwischen Oldfield und Metal muß man sich genau so wenig entscheiden wie zwischen Katzen und Hunden. Machen viele andere auch nicht. Was Künste betrifft, ist und bleibt Musik die Liebe meines Lebens.

Geht der noch?

Jetzt bin ich schon bald drei Wochen wieder hier und habe noch kaum jemandem geschrieben – immerhin versuchen sich jetzt Spammer an meinen Blog-Seiten und rufen sie mir auf diese Weise wieder ins Gedächtnis. Ich wollte immer noch ein Photoalbum ins Netz stellen, aber durch 1300 Photos zu gehen, das dauert nun mal ein bißchen, und ich will’s ja jetzt nach dem Urlaub auch ein bißchen ruhiger angehen lassen, schon was schaffen, aber nicht so verkrampft sein dabei.

Was auf jeden Fall helfen sollte, ist ab Sonntag die Sommerzeit. Bisher war „endlich November!“ mein Jubelschrei hier, und dieses Jahr hat’s endlich geklappt, daß wir im Oktober Sommerzeit kriegen! Morgen ist hier erstmal „Oktoberfest“ (nur ein bißchen Grillen), und das Wetter ist auch wunderbar dafür – heute waren’s schon 34.5º, so muß das sein!

Dienstag, 11. September

Heute jährt sich der 11. September zum ersten Mal am selben Wochentag. Ich mußte heute morgen sehr daran denken, wie ich das damals in Kalifornien erlebt hatte. Hier ein Auszug aus einer e-Mail von damals:

Tja, –
wie fang ich an? Offensichtlich gibt es doch ein Leben nach dem 11.9.; es verblüfft mich immer wieder, wie wirkungsvoll allein das Vergehen der Zeit einen auf andere Gedanken bringt. Dabei weiß ich gar nicht, wieso auch mich die Sache so mitgenommen hat – ist schließlich nicht mein Land; ich kenne keinen einzigen der Toten; mehr wert als die vielen, die in Afrika und anderswo sinnlos sterben, sind sie auch nicht; und ich habe auch das Katastrophenvideo noch immer nicht gesehen.
Also, wieso hatte ich fast zwei Wochen lang  keinen rechten Spaß am Leben? Man liegt mittags in der Sonne und ißt seine Stullen – die Sonne wärmt nicht, das Brot schmeckt nicht, und man denkt sich: auf diesem Planeten hab ich eigentlich nichts verloren.
Doch, soweit es geht, der Reihe nach: an dem bewußten Dienstagmorgen hatte ich mich erstmal nur gewundert, daß die 7:01-Maschine nicht gestartet war (ich wohne ja jetzt in der Nähe des Flughafens), dachte mir aber weiter nichts dabei außer vielleicht: welch angenehme Stille! Und ich wunderte mich über die langen Gesichter von zwei Nachbarn, die ich auf der Einfahrt traf. Dann komm ich zum Büro: obwohl es schon halb neun ist, sind noch kaum Autos da; zwei Kollegen stehen vor der Tür und haben keinen Schlüssel; ich lasse sie rein und erfahre, während wir uns im Büro verteilen, die unglaubliche Geschichte, mit dem abschließenden Satz: das bedeutet, wir haben wahrscheinlich Krieg. Ich sag, mit wem überhaupt? Antwort: das werden sie rausfinden.
Dann mußte ich mich den Rest der Woche auf das Fertigstellen eines Berichts konzentrieren, der eigentlich erst eine Woche später fällig war; aber da wollte ich ja in Deutschland sein. Ich hätte am liebsten die Tür hinter mir zugemacht und mich hinter meinen Bildschirm verkrochen – aber es war auch so ziemlich still in dem Großraumbüro.

Und  so weiter. Natürlich war ich nicht auf der Fringe 2001 in Bremen, und verließ die USA einige Monate später. Doch auch Australien hat inzwischen einen Angriffskrieg auf dem Gewissen, und es kommen weiterhin mehr Menschen zu Tode, als man damals für uns geschätzt hat, als es an die Befreiung des Mittleren Ostens ging.

Papierkram erledigt

Also, das glaubt man ja wohl kaum – Christine und ich hatten ein paar Nächte durchgearbeitet, um den neuen Visumsantrag komplett zu kriegen – dann war sie persönlich beim Amt und hat den Packen abgegeben, weil der per Post nicht rechtzeitig gekommen wäre – hier reicht der Poststempel nämlich nicht, hier muß der Kram am Stichtag da sein – das war bei uns der 8. September, aber der 7. war ja im Innenstadtgebiet Feiertag wegen APEC. Also mußte Christine alles persönlich abgeben, um sicher zu gehen. Dann wurde ihr gesagt, sie sollte mal in einer Stunde wiederkommen; das tat sie dann auch, und bekam ohne weitere Umschweife ihr neues Visum in den Paß geklebt! Ja, ja, ja!
Unglaublich, wo kämen wir da hin, wenn der öffentliche Dienst immer so arbeiten würde! Ich vermute allerdings, daß es für die auch einfacher war, das neue Visum (erstmal für zwei Jahre) direkt auszustellen, anstatt ihr noch ein Übergangsvisum zu geben; und ich hab auch schon des öfteren gehört, daß man mit einem vollständigen Antrag immer fein raus ist. Dazu kommt noch, daß das Verdachtsmoment „Wirtschaftsflüchtling“ bei US-BürgerInnen (noch) nicht gegeben ist. Die Rassenzugehörigkeit spielt hier, glaube ich, inzwischen wirklich keine Rolle mehr.
Denn kann’s ja weitergehen mit dem Leben hier – hoffentlich wird’s bald mal Frühling! Die letzte Woche war so kühl und regnerisch, daß die APEC-Teilnehmer für das Abschlußphoto in Regenmänteln posierten – als australische Nationalkleidung! Da wird doch der Wurm in der Pfütze verrückt!